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Dorothea Köhler ist seit 30 Jahren Menschenrechtsaktivistin und arbeitet als Sozialpädagogin mit wohnungslosen Frauen in Dieburg. Außerdem engagiert sie sich im Bereich Kirchenasyl und hilft Menschen, die von Abschiebung betroffen sind.
Wie kamen Sie dazu, sich für diese Idee sozial zu engagieren? Gab es ein bestimmtes Ereignis, das Sie dazu motiviert hat, oder haben sie einmal gesagt Heureka! Heureka! Ich muss diesen menschen helfen?
Ich bin sehr früh mit Politikthemen interessiert. Wir haben mit meinem Bruder oft zu Hause diskutiert. Ich habe dann mit Leuten kennengelernt, die in diesem Bereich aktiv sind. Ich glaube, was mich interessiert, sind die Menschen, die essenzielle Themen haben. Meine Arbeit ist auch essenzielles. Wohnungslosigkeit ist ja auch essenzielles.Wenn man den Flüchtlingsbereich anschaut, gibt es so viele so Ungerechtigkeiten. Man braucht keine große politische Analyse, um zu sagen, dass sie anders behandelt werden, weil sie aus einem anderen Land kommen als ich. Das finde ich total ungerecht.
Wie läuft ein Abschiebeprozess ab?
Wenn man nach Deutschland gekommen ist, gibt man seine Fingerabdrücke ab und erklärt wie man hier her kommen ist. Die meisten Menschen kommen oft über ein anderes Land nach Deutschland. Dann fängt das Problem an: Wenn man aus Griechenland oder Bulgarien kommt, schicken Sie die Menschen dorthin zurück, obwohl in den meisten Ländern um Deutschland die Bedingungen für Geflüchtete schlechter sind. Im Durchschnitt müssen die Menschen sechs Monate überstehen bis es zum Asylverfahren kommt. Wenn sich die Menschen jedoch verstecken und nicht da sind, wenn die Polizei kommt, verlängert sich die Frist auf 18 Monate. In einem Interview muss man dann begründen, warum man hier ist und nicht in sein Herkunftsland zurück kann.
Wie vielen Menschen konnten Sie bisher durch Kirchenasyl helfen?
Seit 2015 gibt es in der Matthias-Kirche in Darmstadt Kirchenasyl, 2017 ist die Friedensgemeinde dazugekommen. Seid dem haben wir 400 Menschen vor der Abschiebung geschützt. Dabei gibt es zwei Formen, zum einen das Kirchenasyl, bei dem Menschen für eine Zeit in der Kirche untergebracht werden. Zum anderen können Menschen woanders untergebracht werden. Das Kirchenasyl schützt aber in beiden Fällen Menschen, die aufgrund der Dublin- Abschiebungen eine bestimmte Frist abwarten müssen. Seit 2015 bieten wir eine wöchentliche Beratung für Geflüchtete an.
Unterstützen sie auch Flüchtlinge die nicht Teil des Dubliners Übereinkommens sind ?
Ja, wir hatten zum Beispiel jemanden aus Afghanistan bei uns, der abgeschoben werden sollte. Er verbrachte ein Jahr bei uns, bis wir eine Lösung fanden.
Unterstützen sie die Menschen während des Kirchenasyls psychologisch?
Wir vermitteln die Menschen an Fachstellen, aber beraten sie nicht selbst psychologisch.
Eine afghanische Journalistin hat mir gesagt, dass ihr Kampf darin besteht, dass die Taliban nicht als Staat anerkannt werden. Aber wer hier als Flüchtling Straftaten begeht, wird abgeschoben und die deutsche Regierung verhandelt mit den Taliban.
Ich finde das nicht in Ordnung. Zum Beispiel bei den Straftätern von Solingen, da hat man ja gesagt, der hätte nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Da würde ich sagen: ja das war ein gefährlicher Mensch. Man hätte sich überlegen müssen, was man mit so jemandem macht. Aber Ihn einfach nach Bulgarien abzuschieben finde ich nicht angemessen. Was ist das für eine Haltung? Ich finde jede Abschiebung ist eine Menschenrechtsrechtsverletzung
Welche Länder bekommen oft positive Antworten? Welche Länder haben Schwierigkeiten?
Nach Pakistan werden viele Menschen abgeschoben. Afghanen kriegen in der Regel ein Abschiebungsverbot aber das hat sich gerade geändert. Bei Geflohenen aus der Türkei sieht es auch nicht gut aus. Syrer bekommen auch oft ein Abschiebungsverbot.
Wie reagieren Menschen auf ihre Arbeit? Haben Sie jemals negative Reaktionen erhalten?
Natürlich gibt es Menschen die mich fragen woher ich wüsste ob ich Menschen und nicht Straftätern helfe, aber ehrlicherweise habe ich mit diesen Menschen nicht sehr viel zu tun und verschwende damit keine Zeit. Manche Menschen verstehen einfach nicht, warum ich das mache. Für mich ist es aber sehr wichtig, weil ich so viele Ungerechtigkeiten sehe und das gibt mir Antrieb. Ich bin der Meinung, dass sich etwas ändern muss. Wenn wir nicht, wer dann?
Letztes Jahr gab es viele Demonstrationen gegen die AFD und den Rechtsextremismus. Was ist ihre Meinung dazu?
Ich war sehr begeistert davon, wie viele Menschen auf die Straße gegangen sind. Bin aber auch sehr enttäuscht, wie es weiterging.
Haben sie bei den Demonstrationen schon einmal Polizeigewalt erlebt?
Ich habe bisher viel Glück in meinem Leben gehabt und wurde noch nie festgenommen. Wir achten aber darauf, dass es keinen Streit mit der Polizei gibt, weil wir auf den Demonstrationen manchmal Leute dabeihaben, die über keine gültigen Papiere verfügen. Die wollen wir natürlich nicht gefährden. Eine Anzeige habe ich jedoch bei einer Demonstration vor einem Gefängnis für Abschiebungen bekommen.
Wie sehen sie die Zukunft der Abschiebungen? Meiner Meinung nach ist die AfD nicht nur ein Problem Deutschlands, sondern nur eine Problem Deutschlands. Wie sehen sie außerdem die Zukunft Europas und der Welt?
Im Moment finde ich die Situation sehr schwierig. Sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern. Die Rechten erstarken sehr, wie es auch in den USA mit Trump zu sehen ist. Ich habe das Gefühl auf der ganzen Welt geht es politisch gerade nach rechts. Sie haben gesagt, dass die AfD nicht mehr das Problem ist und das stimmt bestimmt, aber die anderen Parteien sind gleich eingeschränkt. Man löst die Probleme nicht, indem man ein paar Menschen einfach abschiebt.
Was würden Sie tun, wenn Sie die Macht hätten, etwas zu verändern?
Meine Haltung ist: Wer hier sein will, ist hier. Wenn Menschen hierher kommen müssen jedoch von Anfang an die Möglichkeit haben, die Sprache zu lernen und sich zu integrieren. Wenn man jedoch so lange in einem Erstaufnahme-Camp bleibt, kann man sich nicht integrieren.